Mehr Lebensqualität – bei allem Schmerz

Veröffentlicht am 21.08.2016 in Presseecho
 

Bietigheimer Zeitung Donnerstag, 18. Aug. 2016

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Bietigheim-Bissingen

„Mehr Lebensqualität – bei allem Schmerz“

CAROLINE HOLOWIECKI

BZ-Sommerinterview: Thomas Reusch-Frey über seine Wahl-Niederlage, die SPD und seinen Neustart

Nach der Wahl im März musste der SPD-Langstagsabgeordnete Thomas Reusch-Frey seinen Hut nehmen. Ein Gespräch über Enttäuschungen und Perspektiven.

Seit der Landtagswahl sind fünf Monate vergangen. Waren es für Sie gute oder schlechte Monate? THOMAS REUSCH-FREY: Am Anfang war’s schon bitter. Dieses Ergebnis zu akzeptieren, war schwer. Der Wahlausgang war für mich wirklich eine Enttäuschung. Und ich würde es schon als Niederlage ansehen – für die SPD, aber auch für mich persönlich. Dann kam aber schon ziemlich früh die Neuorientierung. Ich habe mich gleich zwei Tage nach der Wahl auf eine Pfarrstelle beworben, die in Stuttgart ist und Treffpunkt 50plus heißt. Die evangelische Akademie Bad Boll koordiniert für die Landeshauptstadt Stuttgart die Seniorenarbeit. Ich werde der Leiter.

Zunächst aber noch einmal zur Landtagswahl. Sie sprachen von einer Niederlage für die Partei, aber auch für Sie. Welche wog schwerer?

REUSCH-FREY: Für die Partei war es das schlechteste Ergebnis in der Geschichte. Das war zunächst einmal ein Schlag gegen die Partei. Mein persönliches Ergebnis war etwas besser, aber weit unter den Erwartungen.

Sie selbst stürzten im Wahlkreis von 24 auf knapp 13 Prozent ab.

REUSCH-FREY: Ja, das ist wirklich bitter gewesen. Dass es weniger als 2011 wird, war absehbar gewesen. Aber in dem Maße habe ich nicht damit gerechnet. Sie hatten fünf Monate Zeit, die Dinge zu ordnen.

Welche Fehler hat die SPD rückblickend gemacht?

REUSCH-FREY: Die SPD hat es schwer gehabt in dieser Konstellation Kretschmann-Wolf, weil es einfach ein Duell war. Der Fokus lag auf den beiden Personen und den Parteien. Nils Schmid hat es einfach schwer gehabt. Er ist eher eine Person, die analytisch denkt, die ein klarer Kopf ist und weniger die Emotionen besetzt und anspricht. Insofern war es eine doppelte Schwierigkeit.

Konnte sich die SPD nicht zeigen, oder hat sie es versäumt, sich klar zu positionieren?

REUSCH-FREY: Die Positionen waren nach meiner Wahrnehmung klar, auch in der Kommunikation. Man stieß bloß nicht durch. Man ist fast wie gegen eine Mauer gerannt. Insofern hat man die Menschen nicht erreicht.

Haben Sie selbst Fehler gemacht?

REUSCH-FREY: Die Fehler als einzelner Abgeordneter sind aus meiner Sicht eher schwer zu benennen. Es ist vielleicht der Beruf des Pfarrers in dieser Phase, in der das Thema Flüchtlinge so eine Rolle spielt und in der ich von meiner Grundüberzeugung eine Position einnehme, dass den Menschen geholfen werden muss. Sie sind auf der Flucht, sie erleben Schlimmes. Das habe ich als Position transportiert.

Grämen Sie sich noch?

REUSCH-FREY: Nein, es ist wirklich so, dass ich mich auf die neue Arbeit freue, aber schon auch immer wieder mit Wehmut zurückdenke, aber auch mit Dankbarkeit. Es war einfach eine sehr interessante Zeit, von der ich viele gute Erinnerungen bewahre. Begegnungen mit dem Bundespräsidenten Joachim Gauck. Mit dem Ministerpräsidenten in Israel zu sein, bei den Palästinensern und dann bei den Juden, Einblicke zu haben, die man sonst nicht hat. Das ist einfach unvergesslich. Dass es im Landtag für mich nicht weitergeht, tut natürlich auch weh. Nach dieser Zeit weiß ich aber auch die Familie wirklich wieder zu schätzen. Und ich habe jetzt mehr Zeit für die Familie, für den Freundeskreis. Auch für mich selber. Das Leben ist einen Gang langsamer geworden, und das tut richtig gut. Es ist ein Gewinn an Lebensqualität. Bei allem Schmerz.

Was können Sie sich rückblickend auf die Fahne schreiben?

REUSCH-FREY: Mir fallen da ein paar Sachen ein. Das Bestattungsgesetz war für mich wirklich die größte Erfahrung. Einen Shitstorm, wirklich tiefste Beleidigungen und eine Welle der verbalen Ausflüsse zu erleben, das war das eine. Aber es gab auch das Positive, dass die jüdische Gemeinde sich bedankt hat. Dass gesagt wurde: Das erste Mal, seit wir in Deutschland sind, ist es möglich, dass wir unsere Toten nach unserem Ritus bestatten können. Ich war schon maßgeblich dabei, dass wir die drei anderen Parteien auf unsere Linie bringen konnten.

Der Reformationstag kommt jetzt bestimmt noch…

REUSCH-FREY: Genau, der Reformationstag ist natürlich was (Der Reformationstag wird anlässlich des 500-Jahr-Jubiläums 2017 einmalig arbeitsfrei sein, Anm. d. Red.). Man weiß, ich habe den Anstoß gegeben, die Baden-Württemberger waren auch so ziemlich die Schnellsten, die gesagt haben: Wir machen da mit. Dann haben wir den Nationalpark eingerichtet und das Biosphärengebiet Südschwarzwald. Die Brücke in Besigheim, die das Regierungspräsidium so geplant hatte, dass es wirklich nicht gut war. Ich war der Einzige, der sich dagegengestemmt hatte, und schrieb Briefe um Briefe um Briefe ans Ministerium, dass es zu einer guten Lösung kommt, die jetzt auch verwirklicht wird. Auch für das Projekt Industrie 4.0 am Beruflichen Schulzentrum habe ich mich massiv eingesetzt. Was mir auch ein ganz wichtiges Anliegen war, sind die Sanierungsgebiete, zum Beispiel in Freudental, auch in Besigheim oder in Bietigheim-Bissingen am Bahnhof. Da habe ich dafür gesorgt, dass der Staatssekretär kommt und sich vor Augen führt, wie das konkret aussieht.

Wie ist Ihr Blick auf die aktuelle Landesregierung?

REUSCH-FREY: Also, mir fehlt noch der große Wurf. Ich sehe gar nichts, was bewegt werden soll. Es ist ein bisschen eine blasse Angelegenheit. Sie sortieren sich noch sehr und arbeiten auch gegeneinander wie beim Besucherzentrum Nationalpark. Da laufen die Kosten davon. Das kriegen sie nicht in den Griff. Die einen sind für die Mehrausgaben, die anderen dagegen. Und bei der inneren Sicherheit machen die Grünen ja wirklich bei allem mit, was die CDU will.

Was erwarten Sie von der Landesregierung?

REUSCH-FREY: Ich erwarte ein klares Bekenntnis zur Schulpolitik, auch zum Ganztagesbereich, der ausgebaut wird, eine Stärkung der Kommunen, eine gute Krankenhausfinanzierung, ja, und eine Wirtschaftspolitik, die Baden-Württemberg als Land der Tüftler weiter voranbringt. Und da fehlt’s mir bisher. Das sind Lippenbekenntnisse, aber mir fehlt ein Projekt, mir fehlt was in der Hand. Ich finde nichts, beim besten Willen nicht.

Nach der Wahl ist vor der Wahl. Nächstes Jahr ist Bundestagswahl. Was muss die SPD machen, um bundesweit wieder Aufwind zu bekommen?

REUSCH-FREY: Vielleicht zeigt sich’s am besten beim Prozess der Biogutvergärungsanlage, wo wir sicherlich auch im Endspurt Fehler gemacht haben, bei der Kommunikation und beim Zusammenhalt. Wir müssen eine zusätzliche Ebene finden, wenn zwei Positionen so konträr sind. Wir brauchen den Zusammenhalt. Wir brauchen aus meiner Sicht eine Vision, ein Ziel, wohin unsere Gesellschaft will. Und ich glaube, wenn wir den Zusammenhalt in der Gesellschaft als unser Markenzeichen haben, das Soziale, dass niemand ausgegrenzt wird und alle ihr Recht und ihre Berechtigung und Perspektiven haben, ich glaube, dass das dann zukunftsträchtig ist.

Wer könnte da die SPD als Kanzlerkandidat anrühren?

REUSCH-FREY: Ich denke, Sigmar Gabriel wird sicherlich der Kandidat sein.

Wobei er ja nicht unumstritten ist.

REUSCH-FREY: Ja, das war mein erster Halbsatz. Ich könnte mir als Wunschkandidaten – da hören Sie schon etwas raus – Martin Schulz vorstellen. Gabriel hat durch seine Wankelpolitik und in seiner Wankelmütigkeit einfach viel Vertrauen zerstört. Man kann ihn nicht richtig fassen. Bei Martin Schulz schätze ich seine Geradlinigkeit.

Jetzt sind Sie erst mal mit ihrer neuen Stelle dran. Los geht es im Oktober. Worauf freuen Sie sich am meisten?

REUSCH-FREY: Ich bin gerade dabei, mit der evangelischen Akademie Bad Boll die Investitur, die Amtseinführung, vorzubereiten. Da wird man auch gefragt, welche Duftnote man hinterlassen möchte. Das Büro ist am Rotebühlplatz, und einen Steinwurf weit ist die Synagoge. Und da habe ich gesagt, als Nachbarin würde ich mich freuen, wenn die jüdische Gemeinde ein Grußwort spricht. Dann natürlich auch von der muslimischen Seite, weil mir das Miteinander der Religionen wichtig ist. Bei allen Hindernissen und allen Steinen, die da gerade im Weg liegen. Anders kommen wir nicht weiter. Mit einer Donald-Trump-Philosophie, das ist nicht zukunftsfähig.

Als Pfarrer wieder zu arbeiten, war keine Option?

REUSCH-FREY: Ich habe für mich gesagt, ich kann mir alles vorstellen, auch Gemeindepfarrer, aber der Hintergrund vom Landtag, die Erfahrung könnte ich besser an einer Stelle einbringen, die näher gesellschaftliche Themen aufgreift. Und ich denke, die Seniorenpolitik wird eine der ganz großen Herausforderungen sein.

Sie sind nach wie vor Stadtrat. Soll’s das gewesen sein? Oder sehen wir Sie auf einer höheren politischen Ebene irgendwann wieder?

REUSCH-FREY: Auf der höheren politischen Ebene im Landtag nicht mehr. Ich habe jetzt die Weiche gestellt, in meinem Beruf des Pfarrers zu wirken. Und durch das Wahlergebnis ist die Weichenstellung vollzogen worden. Auch wenn morgen die Koalition in Stuttgart auseinanderbrechen würde, würde ich nicht mehr als Kandidat zur Verfügung stehen.

Aber der Kreistag...?

REUSCH-FREY: Das muss ich sehen. Ich war im Kreistag. Wegen der Ämterhäufung – Gemeinderat, Kreisrat, Landtagsabgeordneter – wollte ich das nicht mehr. Wäre das jetzt vielleicht doch wieder was?

REUSCH-FREY: Das könnte sein. Das wäre für mich die kommunale Ebene. Das könnte ich mir vorstellen.

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